Klagen gegen Jobcenter dauern in Hamburg aktuell durchschnittlich 19,4 Monate. Dies hat eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft ergeben (Drs. 21/18295). Demnach ist die Justiz vollkommen überlastet: So gibt es derzeit mehr als 400 Verfahren pro Sozialrichter_in, fast 14 unbesetzte Stellen, hohe Krankenstände, vermehrte Überlastungsanzeigen, fast 500 Untätigkeitsklagen im ersten Halbjahr 2019.
„Auch wenn die langen Verfahrensdauern mit einem Bestandsabbau älterer Verfahren erklärt wird, ist dieser Zustand unzumutbar“, sagt Carola Ensslen, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion. „Wenn ein Fall beim Gericht landet, haben Betroffene ja zuvor bereits ein Widerspruchsverfahren durchlaufen. Bis es zu einer Entscheidung kommt, dauert es also in der Regel weit mehr als zwei Jahre! Ein so langer Schwebezustand ist nicht nur eine große psychische Belastung, sondern führt außerdem zu einem generellen Vertrauensverlust.“
Der Bestand an Klagen werde zwar geringfügig abgebaut, aber keinesfalls in dem Maße, wie es für einen Durchbruch bei den Verfahrensdauern notwendig wäre. „Es herrscht völlige Intransparenz darüber, nach welchen Kriterien der Personalbedarf an den Gerichten ermittelt wird. Denn Hamburg weigert sich als einziges Bundesland, das Personalbemessungssystem PEBB§Y anzuwenden. Drei Sozialrichter_innen mehr bis zum 31.12.2022 wirken da eher wie ein Placebo“, sagt Ensslen.
Auch die fast 40 Prozent Klagerücknahmen in SGB-II-Verfahren werfen Fragen auf, meint Ensslen: „Führt der Arbeitsdruck zu einer Zwei-Klassen-Justiz, bei der Kläger_innen, die Druck machen können, Zugeständnisse erreichen und deshalb Verfahren nicht zu Ende führen müssen? Die Erfahrung zeigt, dass Jobcenter oft erst auf richterliche Hinweise reagieren. Auf der Strecke bleiben diejenigen, die keine Unterstützung haben – sowohl was die Länge der Verfahren betrifft, wie auch den Ausgang.“