In Hamburg leben rund 1.300 minderjährige unbegleitete Geflüchtete. Knapp die Hälfte ihrer Vormundschaften (631) werden in der Sozialbehörde geführt. Wenn diese jungen Menschen ankommen, müssen sie sofort in Obhut genommen werden. Das ist die Aufgabe des Allgemeinen Notdienstes (AND) oder des Fachdienstes Flüchtlinge (FDF) des KJND in der Feuerbergstraße. Doch die dramatische Überlastung dort und deren Folgen sind immer wieder Thema in unserer Stadt. Anfragen der Linksfraktion zeigen, dass die Minderjährigen nach ihrer Flucht erstmal in ein tiefes Versorgungsloch fallen und rund sechs Wochen faktisch unversorgt in der Feuerbergstraße warten, bis es überhaupt weitergeht. Weitere knapp sechs Monate kommen in der Clearingstelle hinzu. Dies liegt an den Wartezeiten bis zur Bestellung von Vormünder*innen, insbesondere Amtsvormünder*innen. Doch erst sie können Hilfen zur Erziehung (HzE) beantragen. Im Mai 2024 warteten nach Eingeständnis des Senats auf unsere Anfrage 192 minderjährige Geflüchtete auf eine*n Amtsvormund*in.
„Hamburg lässt minderjährige unbegleitete Geflüchtete komplett im Stich. Ganz auf sich allein gestellt werden sie erst mal dem Prozedere der Altersfeststellung ausgesetzt, obwohl Art. 8 EMRK verlangt, dass ihnen bereits hier eine Vertretung ihrer Interessen beiseitegestellt werden müsste. Und auch bei der Betreuung liegt ein Totalversagen vor: Amtsvormünder*innen sehen ihre jeweils 50 betreuten Minderjährigen maximal dreimal pro Jahr. Viel zu wenig, viel zu spät – und dies birgt die Gefahr, dass uns junge Menschen an Menschenfänger*innen verloren gehen oder abgleiten in Sucht, Kriminalität oder Islamismus. Es grenzt an ein Wunder, dass so viele junge Geflüchtete hier einen tollen Weg in eine Ausbildung gehen – nicht wegen, sondern trotz der Aufnahmebedingungen! Der Senat muss andere Wege suchen – etwa ehrenamtliche Vormünder*innen mehr unterstützen oder gute Bedingungen für Pflegschaften in den migrantischen Communities schaffen.“
Dazu Sabine Boeddinghaus, familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion: „Die katastrophale Lage im KJND ist schon so oft Thema gewesen. Und auch aus den Clearingstellen kommen immer wieder neue Hiobsbotschaften von den hochkompetenten, aber völlig überlasteten Mitarbeiter*innen und immer wieder werden dann die Folgen dieser Notlage stadtweit zum Thema. Dem Senat fällt hier seine eigene Fehlplanung auf die Füße. Doch jetzt muss er handeln: Die andauernde Überbelegung und Überlastung ist eine unerträgliche Zumutung für die Jugendlichen und auch für die Beschäftigten.“
Unsere Anfragen findet ihr hier (Drs. 22/15416) und hier (Drs. 22/15533).