Standpunkt: Schafft alle Hartz-Sanktionen ab – und Reaktionen

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Hartz-IV-Sanktionen abschaffen

Am 3. Januar 2020 veröffentlichte die MOPO ein Statement von mir zur Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen – hier als LINK.

Es gab viele zustimmende Reaktionen, aber – insbesondere auf Twitter – waren die Reaktionen auch ziemlich vorurteilsbehaftet;-(

Da heißt es zB:

„Die Leute, die tag täglich 40h/wtl. arbeiten gehen sollen also die Faulen finanzieren…?“

Meine Antwort:

„Die Frage impliziert ja, dass es übermäßig Faule unter den H4-Beziehenden gibt. Das ist nicht der Fall. Faule gibt es auch in der Arbeitswelt. Die werden auch mitfinanziert. Und am meisten kosten uns die Steuerhinterzieher*innen.“

Weiterer Beitrag:

„Wenn Sanktionen abgeschafft werden, besteht noch weniger Anreiz arbeiten zu gehen und das wissen sie genau. Sie wollen die Meritokratie als Legitimationsprinzip abschaffen, was den Wohlstand im Land deutlich senken wird.“

Meine Antwort:

„Anreize schafft man nicht durch Strafen, sondern eben durch Anreize. Das heißt, es muss sich finanziell lohnen, eine Weiterbildung zu machen. Bei Arbeitsaufnahme muss es höhere Freibeträge geben. Das nur als zwei Beispiele.“

Die Reaktion:

„Ihre Einschätzung auf die Einstellungen und Psyche der Hartz 4 Empfänger ist erstaunlich. Sie gehen davon aus, dass Anreize automatisch zu Motivation wird, was nirgends belegt werden kann. Strafen sind effizienter als Anreize.“

Meine Antwort:

„Es mag sein, dass die Empirie zu Anreizen fehlt. Also kann man auch nicht behaupten, dass sie nichts bewirken. Zu Sanktionen hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls festgestellt, dass die Wirkung nicht genug belegt ist.“

Die Reaktion:

„Menschen unternehmen dann etwas, wenn ihnen was genommen wird und nicht wenn ihnen noch zugestattet wird, dass sie für Faulheit jetzt auch noch belohnt werden. Sanktionen sind im Grunde Anreize arbeiten zu gehen.“

Meine Antwort:

„Dieses Menschenbild teile ich nicht.“

Die Reaktion:

„Ich weiß nicht, wie lange sie mit Menschen schon gearbeitet haben oder wie ihre Erfahrungswerte sind. Ich bin mir meiner Sache aber sicher und finde, mit Verlaub, ihr Menschenbild ziemlich naiv.“

Meine Antwort:

„Kennen Sie eigentlich Menschen, die Hartz IV beziehen. Ich jedenfalls schon. Und wenn ich Ihre Vorurteile nicht übernehme, bedeutet das keinesfalls Naivität.“

Die Reaktion:

„Ich arbeite mit Dauerarbeitslosen Tag für Tag…was glauben sie, woher ich sonst diese/meine Meinung beziehe!“

Mein Kommentar hier zu der „Diskussion“:

An der Stelle war dann für mich Schluss. Ich denke nicht, dass das stimmt. Wenn es stimmen würde, dann wäre es geradezu eine Bestätigung dafür, dass sich auf Gesetzesebene etwas ändern muss, damit solchen Menschen die Machtinstrumente genommen werden.

Und noch ein anderer Beitrag aus der tiefsten Klamottenkiste der Vorurteile:

„Und bitte noch extra Gutscheine für Alk und Kippen!“

Trotzdem habe ich geantwortet:

„Solche Vorurteile sind diskriminierend gegenüber #HartzIV – Empfänger*innen. Wer #Hartz4 bezieht, ist nicht automatisch schuld. Missbrauch von #Sozialleistungen ist ein minimales Phänomen, das maximal gehypt wird.“ 

Die Reaktion erübrigte dann aber jede weitere Antwort:

„Booooaaa, haben Sie Scheuklappen auf?“

Oder dieser Beitrag…:

„Legt das Geld doch einfach offen aus, dann kann es sich jeder nehmen…“

Meine Antwort:

„Es gibt einen Anspruch auf das Existenzminimum. Umstritten ist nur, was verlangt werden kann, um aus #HartzIV rauszukommen. Wer die Praxis der Jobcenter kennt oder gar selbst betroffen war/ist, wird nicht sie nicht vorschnell richtig finden“

Aber es gibt auch Beiträge aus Betroffenensicht, die nachdenklich stimmen:

„Nicht pauschalisieren! Die Menschen die aus Gründen psychischer Beeinträchtigungen d Aufforderung z Mitwirkung nicht nachkommen, müssen mehr unterstützt werden&die, die sich großkotzig in gewissen Sendeformaten profilieren (Arbeiten gehen lohnt nicht) brauchen härtere Sanktionen.

Mein Ex&ich sind trotz minibezahlung immer arbeiten gegangen, wir hatten z. T nur 7,15 €/Std. u mussten aufgrund der 4 Kinder mit Hartz IV aufstocken aber uns war es wichtig dass wir den Kindern vorleben dass es wichtig ist es zu versuchen. Heute sind alle 4 erwachsen und…

stehen mit beiden Beinen fest im (Berufs-) leben. Sie sind stolz auf ihre Eltern u sagen, dass sie trotzdem wir viel gearbeitet haben und sie viel Zeit in Kindergärten und Horten verbracht haben eine tolle Kindheit hatten.“

Meine Antwort:

„Danke für Ihre Beiträge und großen Respekt! Trotzdem meine ich, dass Sanktionen komplett abgeschafft werden sollten. Das schafft mE auch Druck auf Arbeitgeber*innen, höhere Löhne zu zahlen. Damit könnten dann auch mehr Menschen aus der Aufstockung rauskommen.“

Mein Fazit:

Gerade der letzte Beitrag zeigt, dass auch Betroffene Sanktionen befürworten. Aus ihrer Sicht ist das verständlich: Sie rackern sich ab, während andere sich auf die faule Haut legen. Hier gibt es noch viel zu tun, um das neoliberale Leistungsdenken aus den Köpfen der Menschen herauszubringen. Es muss endlich klar werden, dass die Betroffenen ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum haben. Dieses Recht beinhaltet auch, Nein sagen zu dürfen und nicht alles Fordern mitzumachen!

Tja, und die Trolle… Ich finde es immer wieder erschreckend, was da so verbreitet wird. Aber an der Stelle mag ich wohl wirklich naiv sein.

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